„Rache ist mein …“ *1

In der Zeit nach dem Sündenfall gab es die Blutrache, bei der die Menschen eine Tat fürchterlich rächten und Mitglieder einer Familie dann die Mitglieder anderer Familien umbrachten. Diese Art der Blutrache gibt es auch heute noch in einigen Ländern auf dieser Erde.

Durch Moses (Exodus 21, 1-36) wurde dieses ausufernde Racheverhalten im Alten Testament eingeschränkt. Dort hieß es dann unter anderem „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, es sollte also gleiches mit gleichem vergolten werden und auch nur das.

Im 5. Buch Mose heißt dann weiter

Die Rache ist mein; ich will vergelten. Zu seiner Zeit soll ihr Fuß gleiten; denn die Zeit ihres Unglücks ist nahe, und was über sie kommen soll, eilt herzu.

Altes Testament Moses, Deuteronomium 32,35 – Übersetzung Martin Luther

In den zwei Geboten des Neuen Testaments hat die Rache keinen Platz mehr:

  1. Er antwortete und sprach: »Du sollst Gott, deinen HERRN, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte und deinen Nächsten als dich selbst.
Neues Testament Lukas 10, 27 – Übersetzung Martin Luther

Das heißt nicht, daß ein Angriff nicht abgewehrt werden soll, es geht nicht darum, alles mit sich machen, sich unterdrücken zu lassen, es geht darum, auch mal über ein scheinbares Unrecht hinwegzugehen. Und dann, wenn man sieht, daß der andere Hilfe braucht, ihm zu helfen, um endlich aus diesem Ab- und Aufrechnen rauszukommen, und zwar jeder für sich selbst.

Überlegt einmal, was wäre geschehen, wenn Jesus am Kreuz angefangen hätte, zu überlegen, so nach dem Motto: Mein Opfer ist für diesen und denjenigen, aber nicht für … Es wäre alles umsonst gewesen, alles hinfällig. Und so gilt es auch für uns, nicht jemanden auszunehmen. Aber es geht nicht darum, sich damit unterdrücken und ausnehmen zu lassen, sondern die Rache einfach Gott zu überlassen. Damit wird man auch frei in seinem Verhalten, wenn man nicht mehr zu überlegen hat, dieser ja, jener nein usw.

Es gibt dazu zwei Kundgaben von Bertha Dudde (beide aus der Zeit des zweiten Weltkrieges) und eine Ballade von Conrad Ferdinand Meyer „Die Füsse im Feuer“.

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*1)

BD. Nr. 1029:     „Die Rache ist Mein ….“ Vergeltung ….

„Die Rache ist Mein“, spricht der Herr …. und so sollet ihr nicht Vergeltung üben, ihr sollt vielmehr euch befleißigen, Böses mit Gutem zu vergelten, und nicht sinnen, wie ihr das euch angetane Unrecht vergelten könnt. Denn wer da Unrecht leidet und nimmermehr Rachegedanken heget, dessen Sinn ist sanftmütig und geduldig, und es ist sein Wille bemüht, das Unrecht aus der Welt zu schaffen, indem er nichts tut, um sich Genugtuung zu verschaffen. Und dies ist ein ungeheurer Fortschritt für die Seele …. Unrecht geduldig über sich ergehen lassen und dennoch in Liebe des Feindes zu gedenken ist wohl sehr schwer, jedoch außerordentlich segensreich …. Es soll der Mensch immer bedenken, daß jedes Rachegefühl die Seele in Finsternis hüllt, daß es nie licht und klar werden kann in eines Menschen Seele, wo noch Raum ist für Gedanken an Vergeltung des Bösen an dem Nächsten. Denn es tritt unweigerlich zu solchen Gedanken das Gefühl der Lieblosigkeit und also geistiger Schwäche. Und es kann der Mensch nicht liebend tätig sein, der solchen Gedanken in sich nicht Einhalt gebietet. Eine jede Feindschaft soll überbrückt werden, so sie einmal zustande gekommen ist …. Denn es ist Feindschaft das Tribut an den Widersacher …. wer in Feindschaft lebt mit seinem Nächsten, der hat der bösen Macht schon sehr viel Recht über sich eingeräumt. Es muß jegliches Haß- und Rachegefühl aus dem Herzen verbannt werden, denn es zieht dieses noch andere schmutzige Gedanken nach sich, wie umgekehrt ein frommes sanftes Gemüt nur darauf bedacht ist, daß niemandem Unrecht geschehe und daß alles Unrechte dem göttlichen Herrn Selbst zur Verantwortung überlassen bleiben muß. Denn der Herr allein kann ermessen, welche Schuld zwei Partner trifft und wodurch die Feindschaft heraufbeschworen ist. So also im Erdenleben scheinbar der Haß und die Zwietracht überwiegt, muß der Mensch an sich versuchen, gerade diese Untugenden aus der Welt zu schaffen …. Es genügt nicht, daß der Mensch nur ängstlich einem Streit aus dem Wege geht …. er muß selbst versuchen, sich dem anderen nach Möglichkeit anzupassen und feindliche Gefühle in das Gegenteil zu verkehren. Der Erfolg eines solchen Vorhabens wird so unsagbar wohltätig spürbar sein, es wird jeglicher Haß aufhören, da die Liebe, Sanftmut und Geduld an seine Stelle tritt, und es wird ein Gefühl innerer Befriedigung der Mensch haben, der alles Unrecht, das ihn trifft, ungeschehen zu machen versucht, wo es möglich ist, durch die Waffen der Liebe …. Es entwaffnet die Liebe allen Zorn, Rachsucht und Vergeltungsdrang …. Die Liebe schwächt das Gefühl des Unrecht-Leidens und wird auch nimmer nach Vergeltung sinnen, denn ihr Streben ist geistige Vollkommenheit, und zu dieser muß vorerst jeder unedle Gedanke ausgeschaltet werden, und es wird der Herr Wohnung nehmen, wo der Mensch sich überwindet und das Herz zur Liebe, Sanftmut und Geduld sich gewandelt hat, denn es ist dies unweigerlich die Grundbedingung, daß der Herr Selbst Sich offenbaret und also auch Geduld übet an Seinen Kindern …. Rache und Vergeltung menschlicherseits sind nicht zulässig, wo die Seele sich befreien will aus ihren Fesseln …. darum übergebet alles dem Herrn, denn Er ist an Sich pur Liebe und wird Vergeltung üben nach dem Gesetz der Liebe …. Desgleichen sollt auch ihr euch befleißigen, untereinander die Liebe zu üben und stets und ständig den Willen des Herrn zu erfüllen, Der euch warnet vor allzustrengem Urteil über die Lieblosigkeit eurer Mitmenschen ….

Bertha Dudde – Kundgabe 1029 vom 29. 7. 1939 – Buch 19

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BD. Nr. 1753:     „Die Rache ist Mein ….“

Vergeltung üben ist nicht recht vor Gott, denn es hat dann der Mensch teil an einer Schuld, weil er einem bösen Verlangen in sich nachgab und nun nicht mehr rein ist im Herzen. Jedes Gefühl der Lieblosigkeit ist ein Hindernis zur Höhe, der innere Kampf dagegen aber ein Fortschritt. Sowie nun der Mensch sich feindlich einstellt dem Mitmenschen gegenüber und auf Vergeltung sinnt, gibt er sich selbst in die Macht des Bösen und muß nun dessen Willen erfüllen, der stets der Vermehrung der Lieblosigkeit gilt. Und sein Seelenzustand ist dadurch gefährdet, denn hat er erst einmal dem Verlangen des Feindes nachgegeben, so ist es ihm schwer, Liebe zu üben, denn der Rachegedanke vergiftet sein Empfinden. Was der Mitmensch ihm angetan hat, ist weit geringer, als was er sich nun selbst antut, denn des Mitmenschen Unrecht bestand darin, ihn körperlich zu schädigen, er aber schädigt seine Seele und legt ihr neue Fesseln an durch jeden Akt der Lieblosigkeit. Er hat keinen anderen Nutzen davon als das Gefühl befriedigter Rache und gibt sich dadurch in die Gewalt des Widersachers, und nun wieder zur Liebetätigkeit zurückfinden ist äußerst schwer und kann nur dann möglich sein, wenn er sein Unrecht einsieht und es bereut. Der rachegierige Mensch aber freut sich seiner Tat und ist weit entfernt von dem Zustand der Reue. Es soll der Mensch Böses mit Gutem vergelten, dann schwächt er die Macht des Bösen, erwirbt sich Liebe und befreit sich selbst und auch den Gegner vom Einfluß schlechter Gewalt, denn es empfindet der Gegner dies als Wohltätigkeit-tat, sofern er nicht ganz verstockt ist, und er bereut seine Tat. Die Vergeltung aber ist Gottes Amt. Und es ist Gott gerecht, und Er übt die Vergeltung wahrlich nach Verdienst …. Er sieht in das Herz des Menschen, und Ihm bleibt nichts verborgen. Und Sein Wille ist, die Menschen zu bessern und sie ihr Unrecht erkennen zu lassen, so wie Er segnet, die das Unrecht des Nächsten geduldig ertragen, ohne sich aufzulehnen oder auf Rache zu sinnen. „Die Rache ist Mein“, spricht der Herr …. Er gibt dadurch Seinen Willen kund, Ihm das Rächeramt zu überlassen, auf daß ihr eurer Seele nicht einen Schaden zufügt, der weit größer ist, als euch der Mitmensch je zufügen kann ….

Bertha Dudde – Kundgabe 1753 vom 27. 12. 1940 Buch 27

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Die Füße im Feuer von Conrad Ferdinand Meyer

Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein Turm.
Der Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem Ross,
Springt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saust
Im Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.
Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell
Und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann …

– „Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt
Nach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!“
– „Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmert′ s mich?
Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!“
Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,
Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,
Und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht
Droht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,
Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild …
Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd
Und starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft …
Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.

Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin
Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.
Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick
Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt …
Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.
– „Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!
Drei Jahre sind′ s … Auf einer Hugenottenjagd
Ein fein, halsstarrig Weib … ′Wo steckt der Junker? Sprich!′
Sie schweigt. ′ Bekenn!′ Sie schweigt. ′ Gib ihn heraus!′ Sie schweigt.
Ich werde wild. D e r Stolz! Ich zerre das Geschöpf …
Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie
Tief mitten in die Glut … ′ Gib ihn heraus!′ … Sie schweigt …
Sie windet sich … Sahst du das Wappen nicht am Tor?
Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?
Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.“
Eintritt der Edelmann. „Du träumst! Zu Tische, Gast …“

Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht
Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.
Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an –
Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,
Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!
Müd bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm,
Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück
Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr …
Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.

Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.
Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.
Die Treppe kracht …. Dröhnt hier ein Tritt? … Schleicht dort ein Schritt? …
Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.
Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinkt
Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.
Er träumt. „Gesteh!“ Sie schweigt. „Gib ihn heraus!“ Sie schweigt.
Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.
Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt …
– „Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!“
Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,
Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr – ergraut,
Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.

Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.
Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.
Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.
Friedsel′ ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,
Als kehrten Engel heim von einer nächt′ gen Wacht.
Die dunkeln Schollen atmen kräft′ gen Erdgeruch.
Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.
Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr,
Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit
Und wisst, dass ich dem größten König eigen bin.
Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!“ Der andre spricht:
„Du sagst′ s! Dem größten König eigen! Heute ward
Sein Dienst mir schwer … Gemordet hast du teuflisch mir
Mein Weib! Und lebst! … Mein ist die Rache, redet Gott.“

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